Patriarchat abschaffen: So wird das nix

Oder: Warum es zutiefst patriarchal ist, sich gegen Selbsterkenntnis zu wehren

Ich habe mitbekommen, dass sich unter den Matriarchatsverfechterinnen rund um Heide Göttner-Abendroth und den Matrifokaldenkerinnen ein Schlagabtausch entwickelte, und zwar aufgrund eines Artikels über die Frage, ob es matriarchale Gesellschaften gibt oder gab. Dieser Umstand inspirierte mich zu einem neuen Artikel.

Dieser Schlagabtausch zwischen den Matriarchatsverfechterinnen und den sich auf dem logischen und richtigen Weg befindenden Matrifokaldenkerinnen ist typisch für patriarchales Konkurrenz- und Positionsgerangel. Es ist wichtig, sich als patriarchaler Mensch, also auch als patriarchale Frau, als sozialisiert in der hierarchischen, mangelbehafteten ungesunden und dysfunktinonalen Gesellschaft Patriarchat zu verstehen. Dazu gehören auch problematische und ausgesprochen wenig hilfreiche bis toxische Verhaltensweisen. Alle Menschen im Patriarchat weisen diese auf, Matriarchats- und Patriarchatsforscherinnen eingeschlossen. Um diese an sich selbst zu entdecken, bedarf es jahrelanger Übung in Selbstreflexion, aber diese Arbeit und Zeit muss investiert werden, um die eigenen problematischen Verhaltensweisen aufzudecken, und erst dann ist man auch in der Lage, sie an anderen zu erkennen. Sie ist aber unabdingbar nötig, um das toxische patriarchale Verhalten, das wir alle mehr oder weniger zeigen, zu erkennen und abzulegen.

Auch wenn ich mich noch nicht so lange und intensiv mit der Geschichte und der Entstehung des Patriarchats beschäftigt habe wie einige Patriarchatsforscherinnen, so habe ich doch längst den Unterschied zwischen einer hierarchischen Gesellschaft, wie das Patriarchat eben eine ist, und unserer natürlichen angeborenen Soziologie Matrifokalität verstanden. In Gesellschaft sind wir einsam, in Gemeinschaft nie. In einer Gesellschaft sind sich alle fremd, in einer Gemeinschaft kennen sich alle. Die heutigen menschlichen Gruppen im Patriarchat sind immer von irgend einer äußeren Notwendigkeit geformt. Die Menschen darin haben vielleicht gemeinsame Motive und Interessen, aber sie sind sich grundsätzlich fremd. Die Menschen im Patriarchat kennen sich nicht, und daher gehen sie auch oft so unmenschlich miteinander um. Interessen mögen manche zusammen führen, verstehen sie sich aber nicht als Mitglied einer patriarchal funktionierenden Gesellschaft, kann es zu Konflikten kommen, die ohne Selbstreflexion nicht gelöst werden können. Unverständnis, Abwehr, Missverständnisse, Projektionen und Fehlinterpretationen führen zu Entzweiungen.

Da ich mich seit Jahren, immer wieder begleitet von psychotherapeutischer Behandlung, mit meinen eigenen Annahmen, angelernten Verhaltensweisen, Irrtümern, Überzeugungen etc. beschäftige, wurde mir auch eines Tages klar, dass diese ohne das Patriarchat gar nicht existieren würden. Das Patriarchat ist also auch hier die Ursache für alles Leid. Daher wäre es bitter nötig, die Psychologie würde sich mit der Entstehung und den Auswirkungen des Patriarchats beschäftigen. Das aber tut sie nicht, die Fakten werden konsequent ignoriert. Umgekehrt jedoch braucht die Patriarchatsforschung dringend psychologisches Know-How. Die derzeitigen Patriarchatsforscherinnen aber lassen dieses Wissen vermissen. Dabei ist es dringend notwendig, um dem ewigen Schlagabtausch ein Ende zu setzen und wirklich konstruktive Möglichkeiten zu finden, das Patriarchat abzuschaffen. Wenn ich aber an bestimmte Frauen aus diesen Kreisen denke, die sogar ein ausgesprochen narzisstisches Verhalten an den Tag legen, sehe ich da keinerlei Hoffnung. Wenn eine Heide Göttner-Abendroth als „führende Matriarchatsforscherin“ bezeichnet wird, wo doch nur wieder patriarchales Hierarchiedenken reproduziert wird, sehe ich wirklich nicht die geringste Chance, unser natürliches Sozialverhalten Matrifokalität wieder zu entdecken.

Dazu muss auch folgender Irrtum erkannt werden: Das Patriarchat lässt sich nicht mit den eigenen Waffen schlagen! Patriarchale Waffen einzusetzen bedeutet, sich weiterhin im patriarchalen Kontext zu bewegen. Die eigenen patriarchalen Verhaltensweisen dazu benutzen, andere zu diffamieren, zu korrigieren, zurecht zu weisen etc. führt unweigerlich in eine Verhärtung der Fronten. Es kommt Kriegstreiberei gleich. Es wird keine Lösung angestrebt, sondern ein Gewinnen, ein sich Erheben über die Verlierer des Kampfes. Das Wissen um die Entstehung und Auswirkung des Patriarchats jedoch lässt sich nicht mit Zwang durchsetzen, sondern nur durch ein tiefgreifendes Verstehen, wie es funktioniert und was es erhält. Das Patriarchat existiert in den Köpfen. Genau dort muss es auch angegangen werden. In jedem einzelnen Kopf. Das kann nur jeder Mann und jede Frau für sich allein tun, und dazu ist Einsicht nötig. Ohne die Einsicht, die harte Arbeit der Selbstreflexion täglich zu tun und zu üben, haben wir keine Chance, das Patriarchat nachhaltig zu beenden.

Es ist wirklich wichtig, sich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Wir müssen unser patriarchales Verhalten hinterfragen. Wenn wir uns aber immer nur gegenseitig mundtot machen und keinerlei Einsichten zeigen, wird sich nicht das geringste ändern, sondern einfach immer wieder nur das Patriarchat reproduziert.

5 Antworten auf „Patriarchat abschaffen: So wird das nix“

  1. Sehr gut! Bin voll damit einverstanden. Ein Buch zu diesem Thema wäre überfällig! Das würde dann auch dazu führen, dass nicht jede einzelne Frau denkt, sie müsse das Rad ganz alleine nochmals erfinden. Es würde auch helfen die ständige Psychologisierung oder gar Pathologisierung einzelner Frauen zu beenden. Und wie gesagt: Mittlerweile haben viele junge Frauen mit stark patriarchal-narzisstischen Zügen sowohl den Feminismus wie den ganzen Diskurs total unterwandert und ausgehebelt. Der ganze Kontext ist so verschoben.

    1. Es sind nicht nur die jungen, das zieht sich durch alle Altersgruppen und Themenbereiche. Die Tatsache, dass meine Worte als Kommentar nicht zugelassen wurden, vermutlich, weil da der schmerzhafte Satz „Die derzeitigen Patriarchatsforscherinnen aber lassen dieses Wissen [über Psychologie] vermissen.“ drin steht, ist Beweis, dass es die Wahrheit ist. Man will sich mit der Wahrheit nicht auseinander setzen und macht so alles noch schlimmer. Und die, die sie sagen, werden in der Tat pathologisiert und psychologisiert. Was ich mir schon alles anhören und lesen musste, wie ich so bin, was ich so falsch mache, was ich so an mir habe, so dass man mich immer wieder korrigieren und zurecht weisen musste. Und das gerade von einigen Damen der Patriarchatsforschung. Richtigstellung brachte nichts, Erklärungen brachten nichts, Ausräumen von Missverständnissen brachte nichts, kein Wille zum Austausch oder Auseinandersetzung erkennbar. Statt dessen sollte ich halt die Klappe halten. Und das tue ich nicht. Dann erst recht nicht.

  2. Stimmt! Ich weiss gar nicht wann dieses ständige Aburteilen, Kritisieren, in eine Ecke stellen, „erziehen“, psychologisieren und pathologisieren eigentlich angefangen hat. Vor ca.) 5 Jahren, glaube ich. Gemeinsam mit dem Drang, sich selbst und alle andern zu „optimieren“. All dies ein tief kranker und zutiefst patriarchaler Spuk ! Dazu das Ausgrenzen und Fertig-, oder Mundtot machen und „laut“ Schweigen. Das sind so passiv-agressive narzisstische Verhaltensweisen. Wem soll das dienen? Es spaltet nur. All dies spielt dem kranken (patriarchalen) System in die Hände. Und ja, es stimmt! Es zieht sich durch alle Altersklassen und durch Rechts- und Links und „Unten und Oben“. Die Frauenfrage ist somit „atomisiert“ und in Grabenkämpfen untergegangen. Das Patriarchat hat wieder einmal gesiegt.

  3. Interessanter Artikel. Das die Psychologie sich nicht mit diesen Thema beschäftigt ist sehr überfällig, dass sehe ich auch so.
    Ich muss allerdings zugeben, dass ich, wenn ich mich selber so reflektiere auch anderen oft nen Spiegel vorhalte, indem ich mich genauso verhalte. Ich finde es nämlich absolut unerträglich, wenn ich so manches Fehlverhalten einfach so über mich ergehen lassen soll. Das kleine Mäuschen zu spielen und alle zu verstehen, lieb und nett zu sein, bringt mich in eine absolut schwache Position. Und macht mich völlig fertig. Vor allem, verstehen solche Menschen ja oft nichtmal selbst was an ihrem Verhalten so daneben ist. Werden sie genauso behandelt finden sie das absolut kacke. Ich hoffe ja dass es dazu führt, dass die Person selber überhaupt mal anfängt zu denken.
    Ich würde gerne konkreter verstehen, was du genau meinst, wie man sich verhalten müsste.

    1. „Ich finde es nämlich absolut unerträglich, wenn ich so manches Fehlverhalten einfach so über mich ergehen lassen soll.“ Das finde ich auch! Und genau das tue ich auch nicht mehr. Es geht ja gerade nicht darum, das Fehlverhalten anderer einfach zu akzeptieren und so stehen zu lassen, sondern damit in irgend einer Weise umzugehen. Das hängt allerdings von der Situation ab. Stelle ich fest, dass das Fehlverhalten des Gegenübers von diesem nicht gesehen werden will, hilft nur noch der Rückzug. Uneinsichtigkeit zu bekämpfen hat keinen Sinn und kostet nur unnötig Energie. „Das kleine Mäuschen zu spielen und alle zu verstehen, lieb und nett zu sein, bringt mich in eine absolut schwache Position.“ Absolut! Es geht ja auch gar nicht darum, die anderen zu verstehen, sondern in erster Linie sich selbst. Wer sich selbst kennen gelernt hat, erkennt auch andere besser und kann mit ihnen besser umgehen. Selbstreflexion führt immer zu einem besseren Miteinander, vorausgesetzt, wenn alle sie betreiben. Da es aber die wenigsten wirklich tun, ist es in der Tat oft so, wie du beschreibst: „Vor allem, verstehen solche Menschen ja oft nichtmal selbst was an ihrem Verhalten so daneben ist.“ Genau das ist der Punkt. Mit Glück ist ihr Leidensdruck groß genug und sie fangen an, sich in Richtung sich selbst zu bewegen. Aber das können nur sie selbst entscheiden. Kein anderer Mensch kann sie von außen dazu bringen. Man kann nur sich selbst ändern, niemals die anderen. Wenn du anfängst, an dir selbst zu arbeiten, änderst du irgendwann dein Verhalten (z. B. machst du bei rigiden Verhaltensmustern mit Verwandten, die oft seit der Kindheit eingeübt und niemals hinterfragt wurden, nicht mehr mit), und das wirkt sich auch auf das Umfeld aus. Du bist nicht mehr so wie sie es gewohnt sind. Das stört sie, es kommt zu Abwehrreaktionen, teilweise sehr heftigen. Aber sie bekommen gleichzeitig (durch deine Veränderung!) die Chance, ebenfalls ihr eigenes Verhalten zu hinterfragen. Eine Garantie gibt es allerdings nicht dafür, es kann auch zum totalen Kontaktabbruch kommen. Ich habe in meinem Leben beides erlebt.
      Wie Selbstreflexion geht, habe ich hier aufgeschrieben: http://suedelbien.de/selbstreflexion-wie-geht-das-eigentlich
      Und wie man problematische Verhaltensweisen und Überzeugungen erkennt, hier: http://suedelbien.de/problematische-verhaltensweisen-und-uberzeugungen

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