Frau und Mutter und Arbeit

Ein Erlebnisbericht

Als ich meinen Job verlor nach 17 Jahren Betriebszugehörigkeit, gönnte mir mein darüber untröstlicher Arbeitgeber, dass er mich leider nicht mehr beschäftigen wollte, ein so genanntes Outplacement. So etwas führen Agenturen durch, die sich auf dem Markt der arbeitssuchenden Führungs- und Fachkräfte etabliert haben, um ihnen wieder in Lohn und Brot zu verhelfen. Ich nahm das großzügige Angebot meines damaligen Arbeitgebers, das ein irres Geld kostete, zusammen mit der Abfindung an. Ich sah darin die Chance, beruflich eine völlig andere Richtung einzuschlagen.

Ich habe ganz gute Erfahrungen mit dieser Agentur gemacht. Meine Idee war, mich selbstständig zu machen, und die Agentur unterstützte mich in meinem Vorhaben. Ich wollte mich im Bereich klassische Musik selbstständig machen, was ich auch verwirklicht habe. Ob ich davon leben kann, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

Meinem Berater gestand ich eines Tages (und schämte mich damals dafür, heute nicht mehr): Eigentlich wolle ich gar nicht mehr arbeiten. Ich sagte das aus einem Gefühl der tiefen Erschöpfung heraus. Ich habe wirklich genug geschuftet, mich aufgerieben, bin über meine Grenzen gegangen, habe mich selbst vernachlässigt, meine Gesundheit aufs Spiel gesetzt, auf die Bedürfnisse meiner Seele nicht gehört. Nein, so wollte ich einfach nicht weiter machen.

Abhängig in irgend einem Unternehmen, in dem ich nicht als Mensch, sondern als Human Resource gelte, meine Arbeitskraft verkaufe und dafür ein festes Gehalt beziehe, wollte ich überhaupt nicht mehr arbeiten. Für mich ist das heute nichts anderes als Prostitution, etwas arbeiten für Geld, was ich mir nicht aussuchen kann, was mir vorgegeben wird, sowohl inhaltlich als auch zeitlich. Dafür, dass es sich im Grunde um eine Zwangsarbeit handelt, wird der Erwerbstätigkeit viel zu viel Wert beigemessen. Dass dem so ist, sehen und wissen immmer mehr Menschen. Die Diskussion findet gerade massiv rund um Hartz-IV statt.

Doch ich habe in meinem Leben nicht nur für den Gelderwerb gearbeitet. Ganz besonders nicht nach der Geburt meiner Kinder. Die andere Arbeit, die unbezahlte, die in dem Moment begann, in dem ich nach der Erwerbstätigkeit mit wehenden Fahnen in die KiTa hetzte, um die Kinder vor KiTa-Schluss noch rechtzeitig abzuholen, danach mit ihnen nach Hause eilte, das Frühstücksgeschirr vom Morgen beseitigte, ein Minimum an Haushalt erledigte wie Einkaufen, Hausaufgaben oder ähnliche Dinge, war ungleich anstrengender und zeitaufwändiger. Die Erwerbstätigkeit trat in den Hintergrund, in dem ich sie verkürzte, also auf Teilzeit umstieg. Damit stieg ich allerdings auch aus sämtlichen Möglichkeiten, beruflich weiter zu kommen, aus.

Eine Mutter kleiner Kinder, besonders wenn sie noch erwerbstätig ist, steht ständig unter Stress, Zeitdruck und dem Gefühl, nur noch zu rotieren, während andere es sich, aus ihrer Sicht, gut gehen lassen. Hinzu kommt auch noch die fehlende Anerkennung durch das Umfeld. Ich kann deshalb sehr gut verstehen, dass eine Mutter aggressiv reagiert, wenn sich um sie herum die Selbstverwirklichungsempfehlungen wie Hohngelächter ausmachen:

http://dasnuf.de/zeug/geht-euch-doch-selbstverwirklichen-ich-geh-arbeiten/

Damit nicht genug. Nach 15 Jahren Ehe die Scheidung, ich wohne seit dem mit meinen Kindern allein. Auch wenn das Sorgerecht beiden Elternteilen zusteht, so ist es doch ein verdammter Unterschied, ob einer noch mit im Haus wohnt und Aufgaben übernimmt oder seine Kinder nur alle zwei Wochen sieht. Ich mache jetzt alles allein, fast täglich einkaufen, den ganzen Haushalt schmeißen, und ganz nebenbei noch meine Selbstständigkeit aufbauen. Meine Kinder machen zwar inzwischen mit, aber nicht immer freiwillig. Auch ist mein Ex-Mann kooperativ und unterstützt finanziell wo er kann, das ist schon viel wert. Doch ohne externe finanzielle Unterstützung könnte ich derzeit gar nicht überleben. Mit anderen Worten: Aus eigener Kraft könnte ich momentan weder meine eigene Existenz noch die meiner Kinder sicher stellen.

Aber wer sagt eigentlich, dass der Mensch arbeiten müsse bis zum Umfallen? Dass er erst dann irgendwelche Ansprüche stellen darf, wenn er nachweisen kann, dass er schön brav jeden Tag irgend einer Tätigkeit nachgeht… ja, irgendeiner Tätigkeit, was bedeutet das denn für mich als Frau und Mutter? Ich gehe jeden Tag den Tätigkeiten nach, die unmittelbar mein Umfeld betreffen: Staubsaugen, Spülmaschine und Waschmaschine bedienen, Essen kochen, einkaufen, Klo putzen, Abflüsse reinigen, wenn sie verstopft sind (würg), Reparaturarbeiten, Haushalt mit allem drum und dran. Schulische Dinge: Entschuldigungen schreiben, Elternabende, mit Lehrern debattieren, Arztermine organisieren usw., Dinge, die ich nicht unbedingt gern tue, aber die getan werden müssen. Also tue ich sie, mit mal mehr mal weniger Elan oder Lust oder Begeisterung. Dennoch habe ich kein Problem damit, sie zu tun. Was mich stört, ist die mangelnde Anerkennung dafür und die Selbstverständlichkeit, dass sie erledigt werden ohne je dafür eine Gegenleistung fordern zu können geschweige denn zu bekommen. Und auch das Zugeständnis an meine Erschöpfung. Manchmal kann ich einfach nicht mehr.

Aber: Nur weil ich für meine Arbeit nicht bezahlt werde, bin ich deswegen kein minderwertiger Mensch! Genau das aber ist es, was wir glauben sollen, was dieses System uns einredet. Untermauert wird dies z. B. auch durch religiöse Werte („Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen„). Aber wenn die Menschen dieses Systems nur durch ihre Arbeit definiert werden, dann wird es auch Zeit, dass die unentgeltliche Sorge-, Pflege-, Erziehungs- und Drecksarbeit endlich mehr Anerkennung erhält und bezahlt wird. Ansonsten lebt eine ganze Gesellschaft auf Kosten der Mütter und Frauen, die sie leisten.

Die Dinge, die ich gern tue, tue ich dafür aber heute ganz bewusst ohne schlechtes Gewissen oder mich dafür weder vor mir noch vor irgend einem anderen Menschen zu rechtfertigen. Insofern verwirkliche ich mich gerade selbst, und zwar trotz oder genau deshalb, weil ich auch Arbeiten tue, die einer Notwendigkeit entsprechen und deshalb einfach gemacht werden müssen. Ich weiß, dass sie an sich keinen Wert haben. Denn der Wert liegt in mir als Mensch begründet und nicht in dem, was ich tue.

2 Antworten auf „Frau und Mutter und Arbeit“

  1. „Dafür, dass es sich im Grunde um eine Zwangsarbeit handelt, wird der Erwerbstätigkeit viel zu viel Wert beigemessen.“ Sowas von wahr, dieser Satz.
    Auch der Rest dieses Artikels… Im Moment findet gerade ein Aufwachen statt, langsam fangen immer mehr Menschen an, dieses (Zwangs)Arbeitssystem kritisch zu hinterfragen. Wir produzieren ja hauptsächlich Müll (Wegwerfartikel) was eigentlich das wahre Verbrechen ist (Ressourcenverschwendung, Umweltvergiftung, Verschandelung der Natur, etc.)
    Trotzdem wird dieser Artikel garantiert von vielen zu Unrecht als links-subversive, sozialromatische Spinnerei abgetan werden.

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